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Familie Gusatu

Iordan Gusatu, seine Frau Stanca Gusatu und deren Kinder aus Babeni sind in unserem Projekt die Handwerkerinnen und Handwerker, die mit Holz arbeiten. Mit einfachen Werkzeugen arbeiten sie aus Holzstücken Schüsseln, Hocker und Teller heraus. Deren handwerkliche Fertigkeit ist sehr beeindruckend.

Zuerst wird mit einer Spezialhacke die grobe äußere Form des Gegenstandes aus einem Stück Holz geschlagen. Danach wird mit einem Dechsel Schicht für Schicht der Gegenstand ausgehöhlt. Am Ende kommen ein gerades Messer und ein gebogenes Schabmesser zum Einsatz. Diese Werkzeuge geben den Gegenständen den letzten Schliff und die unverwechselbare Oberflächenstruktur. So hat die Oberfläche der Gegenstände immer auch etwas von einem riesigen Diamanten – unendlichseitig. Diese Gegenstände unterscheiden sich so in ihrer Oberflächenstruktur eindeutig von gedrechselten und anderen maschinell hergestellten Gegenständen.

Dieses traditionelle Handwerk wird heute wie früher von den Rudarii beherrscht und praktiziert. Die Rudari sind eine durch ihr Handwerk definierte Gruppe der Roma. Herr und Frau Iordan erlernten dieses Handwerk von ihren Eltern und Großeltern. Früher wohnten die Rudari meist direkt an Flüssen und fanden dort auch den Rohstoff für ihr Handwerk – die Weide. Vor Ort wurden die unterschiedlichsten Gegenstände gefertigt und dann bei verschiedenen Dorfmärkten zum Kauf angeboten.

 

Sehr viele Roma definieren sich entlang von ihrem traditionellem Handwerk. Die Rudarii arbeiten mit Holz, die Fierarii arbeiten mit Eisen, die Caldararii arbeiten mit Kupfer, die Lautarii waren die Musiker, die bei den unterschiedlichsten Anlässen aufspielten, die Lingurarii machen Holzlöffel, die Hamurarii stellen Zaumzeug für Pferde her etc. Die rumänische Ethnologin Oana Burcea hat in ihrem Buch “Rromii povestesc = Roma people are sharing their stories” auf eindrückliche Weise die Bedeutung des Handwerks für Roma aufgezeigt (O. Brucea: Rromii povestesc = Roma people are sharing their stories, Sibiu: Astra Museum, 2015).

Auf der einen Seite haben der Kommunismus und die verschiedenen Zwangsumsiedlungen den durch ihre Handwerke definierten Roma stark zugesetzt. Auf der anderen Seite finden heute, nach dem Kommunismus, viele ihrer Produkte keinen Absatz mehr. Dies führt dazu, dass viele ihrem Handwerk den Rücken kehren und vieles an traditionellem Wissen verloren geht. Wie wichtig das traditionelle Handwerk für die Identität dieser Menschen ist und wie es den nötigen Halt gibt, um weiterer Entwurzelung vorzubeugen, sieht man, wenn man vor Ort mit diesen Menschen zusammenarbeitet.

 

Wer sich näher mit der Geschichte und der sozialen Situation der Roma in Südosteuropa auseinandersetzen möchte, dem kann das Buch Arme Roma, Böse Zigeuner von Norbert Mappes-Niediek einen ersten Zugang ermöglichen (N. Mappes-Niediek: Arme Roma, böse Zigeuner, Berlin: Christoph Links Verlag, 2012).

Gefilmt in Babeni. Produziert & editiert in Vienna.
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2018